Zwischen Meer und Wüste - die Israel-AG auf großer Tour in Israel und Jordanien

Zum 7. Mal - seit 1991 - brach im Spätherbst 2004 eine deutsche Gruppe von 17 Schülern mit ihren drei Begleitlehrern zu einer Reise nach Israel auf, die wie keine andere in unserer Erinnerung bleiben wird. Der Schüleraustausch zwischen den Städten Ravensburg - Weingarten und Nahariya konnte glücklicherweise in eine weitere Runde gehen; zwei Jahre zuvor war den deutschen Schülern aufgrund der damals sehr unsicheren politischen Situation die einmalige Chance verwehrt worden, dieses wunderbare Land und seine Bewohner zu erleben.

Bereits im Oktober 2003 waren unsere Austauschpartner bei uns zu Gast im Schussental gewesen. In jeder Mail, die wir danach von ihnen erhielten, fragten sie erwartungsvoll an, ob wir denn auch zu ihnen nach Israel kommen würden; sie würden uns soooo gern ihre schöne Stadt zeigen. Doch der für Mai 2004 angesetzte Gegenbesuch in Nahariya musste zu unserer größten Enttäuschung auf Grund der äußerst prekären Sicherheitslage ausfallen und wurde auf den Oktober verschoben. Und dann geschah das fast Unerwartete: Weil sich die politische Großwetterlage im Nahen Osten im Herbst erheblich verbessert hatte, bekamen wir grünes Licht, und nach fast achtzehnmonatiger Planung und nach ausführlichen Vorbereitungsseminaren wurde unser Traum von der großen Israelreise schließlich doch noch wahr. Unser Austausch stand unter dem Motto "FRIENDSCHIP POINTS THE WAY TO THE FUTURE".

Programm

am Flughafen Wir - 17 Schüler vom Welfen-Gymnasium Ravensburg und dem Gymnasium Weingarten sowie das Lehrerehepaar Wolf ("die Seele des Austausches") und unsere Begleitlehrerin Gisela Bacher - starteten an einem kalten Mittwoch (23. Oktober) um 5.00 Uhr morgens von Weingarten aus Richtung Israel und zu unserer Partnerschule in Nahariya, der Amal Comprehensive High School. Es sollte ein Austausch voller Höhepunkte werden, auch wenn in der Vorbereitungsphase bereits beschlossen worden war, dass aus Sicherheitsgründen weder Tel Aviv noch - was noch viel schlimmer war - Jerusalem besucht werden sollten. Das beeindruckende Programm, das die "Wolfim", wie das Ehepaar Wolf in Israel gern genannt wird, zusammen mit dem langjährigen Leiter der israelischen Gruppe Zeev Amit und der neuen Kontaktlehrerin Michal Shachar, ausgetüftelt hatten, machte den genannten Nachteil bei weitem wieder wett. So kamen wir z. B. als erste Gruppe in den Genuss, die Wüste mehr als nur einen Tag zu erleben und auch das Bad im Toten Meer konnten wir zweimal genießen. Ein weiteres absolutes Highlight war der von Herrn Al Taher (Bit-Travel-Solutions, Ravensburg) gesponserte, dreitägige Aufenthalt in Jordanien. An ihn nochmals ein herzliches Dankeschön. Denn seine Initiative ermöglichte es uns, Israel von zwei unterschiedlichen Seiten zu erleben: von "innen" und von "außen".

Orientalischer Abend und Ankunft in Nahariya

jordanisches Essen Unser Airbus landete gegen Abend in Amman, der jordanischen Hauptstadt. Nach einer kurzen Erfrischungspause in unserem Hotel verbrachten wir einen super orientalischen Abend im "Reem Bawadi", einem in traditionell-arabischen Stil eingerichteten Restaurant a la "TausendundeineNacht", und kosteten das erste Mal von den exotischen Speisen des Orients.
Am folgenden Tag ging es durch die jordanische Wüste und auf einigen Irrwegen zur israelisch/jordanischen Grenze am Jordan. An der Sheich-Hussein-Bridge wurden wir offenbar schon erwartet, aber nichtsdestotrotz äußerst gründlich kontrolliert, was so manchem Koffer und seiner inneren Ordnung nicht gerade gut tat.
Zwei Stunden später kamen wir in Nahariya an, wo uns unsere Gastgeber bereits sehnsüchtig erwarteten und uns überaus herzlich empfingen. In unseren Gastfamilien wurden wir liebevoll aufgenommen und wir fühlten uns vom ersten Moment an wie zu Hause.


Turm in Akko

Akko

Nach diesen ersten positiven Eindrücken starteten wir am folgenden Tag, ausgerüstet mit den wohl größten Lunchpaketen, die man sich vorstellen kann, zu einem Besuch der alten Kreuzfahrerstadt Akko.
Hier empfing uns der Orient pur. Ungewohnte Düfte, zappelnde Fische, quietsche-süße Delikatessen - wir tauchten in eine uns völlig fremde Welt ein, die es in dieser Weise auch in Nahariya nicht gibt.
In Akko leben Juden und Araber seit Jahren in friedlicher Nachbarschaft zusammen; Anschläge sind hier unbekannt.
Nach einer informativen Führung durch die beeindruckende, mit Mosaiken übersäte "tunesische" Synagoge und die unterirdische Kreuzfahrerfestung ging es zurück zu unseren Familien, welche uns während des gesamten zweiwöchigen Aufenthaltes eine herzliche Gastfreundschaft zukommen ließen und uns andauernd - um unser leibliches Wohl besorgt - zum Essen animierten.

Shabbat in den Familien

Blick über die Küste von der libanesischen Grenze aus Der sich anschließende Shabbat, das israelische Wochenende (Freitagnachmittag und Samstag), gehörte gemäß dem Reiseplan ganz und gar den Familien. Sie hatten sich offenbar schon viele Gedanken gemacht über das, was uns interessieren könnte, und nahmen uns mit auf Familienausflüge zu sehr attraktiven Zielen wie den Bahai-Gärten in Akko und Haifa, den Meeres-Grotten in Rosh Hanikra an der Grenze zum Libanon, in benachbarte Städte und Einkaufspassagen. Die meisten von uns ließen sich die Chance, am Freitagabend einen Synagogengottesdienst zu erleben, nicht entgehen. Auch ein Bad im Meer (im Oktober!) und nächtliche Strandpartys mit Lagerfeuer und Barbecue standen auf dem Programm. Fast ungläubig bestaunten wir die Folklore-Tanzgruppen, die wie jeden Samstagabend noch in später Nacht den Strand belebten; hier hat offenbar das Wort Folklore noch seine wahre Bedeutung, denn auf dem Tanzplatz am Mittelmeer-Ufer traf sich bei lauen Sommernachtstemperaturen Alt und Jung völlig ungezwungen und in großer Heiterkeit und Freude zu Gruppentänzen und Ringelreihen (aufgelockert durch Rock und Beat).

5-tägige Wüstentour

 Quelle in der Wüste Am Sonntag hieß es schon wieder Abschiednehmen von Nahariya, glücklicherweise nur für 5 Tage, denn jetzt waren Wüstenerlebnisse angesagt. Unser Ziel war die Negev-Wüste, genauer gesagt der Makhtesh Ramon und das Tote Meer. Den ersten Tag verbrachten wir fast ausschließlich im Bus, was nicht weiter schlimm war, denn so konnten wir die abwechslungsreiche und wunderschöne Landschaft Israels genießen. Von dem relativ grünen Norden wurde es mit andauernder Fahrt, je weiter wir nach Süden kamen, immer karger und ging letztendlich bei Beershewa in die Wüste über. Allein schon diese Tatsache faszinierte uns, dass in einem so kleinen Land der Wechsel vom ‚Grün der Wiesen' zum ‚Gelb-Braun der Wüsten' so fließend ist. Zu einer ersten Begegnung mit der Wüste lud uns die Oase En Avdat ein, wo eine Quelle in wildromantischer und zerklüfteter Bergwelt ein bisschen Grün in die ausgedörrte Landschaft zauberte. Im benachbarten Kibbuz S'de Boker besuchten wir das Grab des Staatsgründers Ben Gurion, das in einer unglaublich pitoresken Gegend auf einem Felsplateau liegt und uns einen faszinierenden Blick über das Wadi Zin bot.

Am folgenden Tag starteten wir zu unserem ersten Höhepunkt, einer abenteuerlichen Jeeptour durch den Ramon-Krater, den größten Erosionskrater der Welt, der über 30 km im Durchmesser umfasst und 300 m tief ist. Ein einheimischer Guide zeigte uns die Überlebenstricks der Pflanzen in einer wasserlosen Gegend. Köstlicher Rosmarintee aus 5-l-Kanistern und kiloweise Äpfel und Karotten sorgten dafür, Jeep in der Wüstedass wir in der trockenen Hitze nicht der Austrocknung zum Opfer fielen. Weitere Höhepunkte waren unser zweitägiger Aufenthalt im Kibbuz En Gedi, dem tiefstgelegenen Ort der Erde (ca. 400 m unter dem Meeresspiegel) mit einem der schönsten botanischen Gärten der Welt, der Aufstieg auf die Bergfeste Massada, ein Besuch in Qumran, wo 1948 die berühmten Rollen der Essener in den Höhlen der Umgebung gefunden worden waren, und natürlich das obligatorische Bad im Toten Meer und die Ganzkörperbemalung mit dem grauschwarzen Heilschlamm im Spa En Gedi. Die fünf Tage in der israelischen Wüste vergingen auf Grund des wirklich gut geplanten Programms leider viel zu schnell. Zurück in den Familien, mussten wir dann erschreckt feststellen, dass annähernd die Hälfte unseres Aufenthalts bereits vorüber war - fühlten wir uns doch in den Familien so richtig heimisch. Es begannen erste Diskussionen mit den Gasteltern über politische Themen, die israelische Vergangenheit, das deutsch-israelische Verhältnis und das für uns überraschende Lieblingsthema der Israelis, den Militärdienst.


In der Schule und im Rathaus

Am folgenden Freitag war Zeit für den Besuch in unserer Partnerschule, einem riesigen Campus mit 3000 Schülern, der ganz von einem Zaun umgeben ist und von Securities bewacht wird. Einlass erst nach Ausweiskontrolle! Und einer zweiten Kontrolle, die darauf achtete, ob das Schul-T-Shirt auch die richtige Länge hatte und den Bauchnabel bedeckte! Bei den Hospitationen erkannten die meisten von uns auf Grund der fehlenden hebräischen Sprachkenntnisse erst am Ende der Stunde, welchen Unterricht sie eigentlich besucht hatten. Dagegen war das anschließende Gespräch mit dem neuen Bürgermeister von Nahariya Herrn Frumer sehr informativ und interessant. Er ist ein starker Befürworter des Deutschlandaustausches und zugleich sehr aufgeschlossen gegenüber einer Städtepartnerschaft zwischen Ravensburg und Nahariya. In einem informellen Gespräch, an dem auch Frau Fiegle, die Beauftragte des Schulreferates der Stadt Ravensburg, teilnahm, sagte er zu, sich in Nahariya für die Benennung einer Straße als "Ravensburg-Straße" einzusetzen.

Pinchas Erlanger

Pinchas Erlanger in der Synagoge in Shavei ZionNach dem Besuch des Holocaust-Museums in Lochamei Hageta'ot lernten wir in Shavei Zion eine lebende Legende kennen: Pinchas Erlanger, einen Ravensburger Juden, der als kleiner Junge das Spohn-Gymnasium besucht hatte und kurz nach Ausbruch des Krieges im allerletzten Moment mit seinen Eltern nach Israel auswanderte. Er ist der "geistige Vater" unserer Schulpartnerschaft. Trotz seines fortgeschrittenen Alters erzählte er uns in sehr lebendiger und anschaulicher Weise seine gesamte Lebensgeschichte und beantwortete sehr viele Fragen. Sicherlich war dieses Treffen mit einem Ravensburger Zeitzeugen aus dem Dritten Reich eine der bewegendsten und eindrücklichsten Begegnungen während der ganzen Reise, mit tiefen Einblicken in unsere deutsche Geschichte.

Zweites Wochenende in den Familien

Es folgte ein neues Shabbat-Wochenende mit weiteren Ausflügen innerhalb der Familien - und langsam beschlich uns immer mehr das Gefühl, dass wir demnächst schon wieder Abschied nehmen müssten und die Rückreise ansteht. Wir fühlten uns in Israel sicher und wohl im Kreise unserer neuen israelischen Freunde (trotz des zwischenzeitlich eingetretenen Todes von Arafat). Natürlich auch wegen des angenehmen Klimas; immerhin war es in Deutschland ca. 30°C kälter und 5 cm Schnee wie im Schussental sind in Nahariya unbekannt.

Die letzten Tage in Israel

Höhle, wo Jesus angeblich nächtigte Die noch verbleibenden vier Tage gingen leider viel zu schnell vorbei. Jeder Tag bot einen neuen und andersartigen Aspekt dieses vielfältigen Landes. Unvergesslich ist uns allen sicherlich die Wanderung auf den Spuren Jesu vom Berg der Seligpreisungen hinunter nach Tabgha, zur Kirche der wunderbaren Brotvermehrung, die uns auch in eine abgelegene Höhle führte, in der Jesus ganz sicher übernachtet hat. In Dalmanuta - einem Garten direkt am Seeufer - versammelten wir uns - neugierig beäugt von einigen Klippschliefern - schweigend und nachdenklich zu einer Meditation. Neben der antiken Synagoge interessierte uns in Kapharnaum vor allem das Haus der Schwiegermutter des Petrus, in der Jesus - dem Neuen Testament zufolge - Lahme und Kranke geheilt hat; anschließend setzten wir in einem nachgebauten Petrus-Boot über den See nach Tiberias und erlebten an der Taufstelle am Jordan eine zwar etwas befremdliche, aber doch sehr beeindruckende Taufzeremonie. Wir besuchten das unglaublich schön angelegte Zentrum der Bahai's in Haifa und als Kontrastprogramm den etwas anderen Industriepark "Tefen", in dem der Gründer Stef Wertheimer eine Synthese von Industrie, Kunst und Natur geschaffen hat, das Drusendorf Daliat el Carmel auf dem Carmel-Gebirge sowie die Jordanquellen und den Wasserfall in Banias, das zur Zeit Jesu Caesarea Philippi geheißen hat. Zwischendurch, vor allem an den Abenden, nutzten wir weiterhin die Möglichkeit in unseren Familien die neuen Freundschaften zu pflegen.

Abschied von Israel und Weiterreise nach Jordanien

Petra Am Donnerstag hieß es dann leider endgültig Abschied zu nehmen. Schweren Herzens und unter viele Tränen stiegen wir schließlich in unseren Bus, um Richtung Jordanien aufzubrechen. Eigentlich wollte niemand gehen und der einzige Trost war, dass unsere Reise noch nicht ganz zu Ende war, sondern noch mit zwei Tagen in Jordanien ausklang. Wobei es sich von selbst versteht, dass wir uns auch in Jordanien nicht auf die "faule Haut" legten, sondern das imposante Petra, die antike Hauptstadt der Nabatäer, sowie die abwechslungsreiche und beeindruckende Landschaft Jordaniens genossen. Am letzten Tag konnten wir vom Berg Nebo aus, von dem schon weiland Moses einen wehmütigen und sehnsuchtsvollen Blick über das gelobte Land hatte schweifen lassen, einen letzten, etwas nebligen Blick auf ganz Israel und das Tote Meer erhaschen. Die beiden Nächte in Jordanien verbrachten wir in einem kleinen traditionellen Hotel in Dana, einem verlassenen Bergdorf in der jordanischen Wüste. Hier gestalteten wir uns die Nächte so angenehm wie möglich mit wenig Schlaf und viel traditioneller arabischer Musik, Tanz, einheimischem Essen und dem Rauchen der orientalischen Wasserpfeifen.

Rückreise

Verschleiert und verhüllt... Am Samstag ging unsere Kulturreise in den Nahen Osten dann endgültig zu Ende. Der Flug führte uns am Nachmittag von Amman über Frankfurt nach München; mit einer anschließenden kurzweiligen Busfahrt gelangten wir zurück nach Ravensburg. Aus dem Bus stiegen zum Erstaunen unserer Eltern aber nicht die Söhne und Töchter, die vor zwei Wochen diesen Trip angetreten hatten, sondern waschechte, in arabische Burnusse gekleidete Beduinenfrauen und -männer.

Der zweieinhalbwöchige Israelaustausch war sicherlich nicht das Ende unserer Kontakte mit Israel; in unserem Gepäck nahmen wir viele schöne Erinnerungen an eine überwältigende Landschaft, eine herzliche Gastfreundschaft und eine liebenswerte Stadt mit nach Hause. Die Begegnung mit unseren neuen/alten Freunden hat uns eng zusammengeführt, und dieses Band der Freundschaft wird hoffentlich die Zeit überdauern. Denn "friendship points the way to the future".




Bericht: Philipp Sigloch
Fotos (soweit nicht anders angegeben): Iris Holweg

 

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